Zur Rechtswidrigkeit der Forderungsabtretung aus Telefonvertrag wegen Verstoß gegen Fernmeldegeheimnis

AG Bremen, Urteil vom 20.10.2011 – 9 C 430/11

Die Abtretung der aus einem Telekommunikationsvertrag resultierenden Ansprüche ist zumindest dann wegen Verstoßes gegen das Fernmeldegeheimnis unwirksam, wenn dem Zessionar auch die entsprechenden Leistungsdaten übermittelt werden; § 97 I 3 TKG begründet lediglich für den Forderungseinzug einen Erlaubnistatbestand.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Von der Darstellung des Tatbestandes wurde gem. § 313 a ZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Die Klägerin ist nicht aktivlegitimiert.

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Der Klägerin stehen keine Ansprüche aus abgetretenem Recht zu, wobei dahinstehen kann, ob es zwischen der Beklagten und der t. AG tatsächlich zum Abschluss von Auskunftsdienstverträgen bzw. zur Leistung von Mehrwertdiensten gekommen ist.

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Der zwischen der t. AG und der Klägerin in § 3 des Vertrages vom 05./06.03.2001 (Bl. 57 d. A.) geregelte Abtretungsvertrag (§ 398 BGB) ist wegen Verstoßes gegen das Fernmeldegeheimnis gemäß § 134 BGB i.V.m. § 206 I StGB i.V.m. § 88 TKG nichtig (so auch: Palandt-Ellenberger, 69. A., § 134, Rn. 22a).

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Insofern muss nicht entschieden werden, ob die – zukünftige Ansprüche betreffende – Abtretungserklärung nach § 3 des Vertrags i.V.m. § 1 der Anlage zum Vertrag auch unter dem Gesichtspunkt der auflösenden Bedingung gemäß § 7 der Anlage hinreichend bestimmt ist.

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Das Fernmeldegeheimnis umfasst die näheren Umstände der Kommunikation, insbesondere ob, wann und zwischen welchen Personen ein Fernmeldeverkehr stattgefunden hat.
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Die Klägerin erhielt von der Zedentin ungeschwärzte Einzelverbindungsnachweise, aus denen sich ergeben soll, wann die Beklagte welche Rufnummern angerufen habe. Insofern liegt ein Verstoß gegen das speziell geregelte Fernmeldegeheimnis vor. Dieser wird durch die allgemeine Auskunftspflicht nach § 402 BGB nicht gerechtfertigt.

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§ 97 I 3 TKG stellt nach Ansicht des erkennenden Gerichts keinen Erlaubnistatbestand zur Übermittlung der Daten an den Zessionar dar (a.A.: LG Deggendorf, Urteil vom 26.05.2011, Az.: 13 S 141/10 unter Berufung auf eine im Palandt-Kommentar fehlerhaft zitierte Entscheidung des OLG München (s.u.); AG Bremen, Urteil vom 23.11.2010, Az.: 4 C 237/10-JURIS).
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§ 97 I 3 TKG bezieht sich nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich auf solche Verträge, die der Dienstanbieter mit einem Dritten „zum Einzug des Entgelts“, also zur Geltendmachung eigener Forderungen, abschließt und nicht auf Verträge, durch welche die Forderungen abgetreten werden (AG Hamburg-Altona, Urteil vom 08.08.2006, Az.: 316 C 59/06, CR 2007, 238-JURIS). Durch Neufassung des § 97 I 3 TKG wurde der Forderungseinzug für Dienstanbieter nicht erleichtert; denn die Vorschrift hat den gleichen Wortlaut wie die Vorläufernorm nach § 7 I TDSV. Zu dieser Norm führte der Verordnungsgeber aus, dass durch die Vorschrift kein eigenständiges Recht für den Dienstanbieter begründet werden sollte, die Forderung an ein Inkassounternehmen abzutreten mit der Folge, dass dieses die Forderung gegenüber dem Kunden als eigene Forderung geltend machen kann. Vom Willen des Verordnungsgebers war somit die Ermöglichung der Abtretbarkeit von Forderungen ohne Zustimmung des jeweiligen Kunden nicht umfasst (AG Hamburg-Altona, a.a.O m.w.N.).

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Eine analoge Anwendung des Erlaubnistatbestands nach § 97 I 3 TKG scheidet mangels vergleichbarer Interessenslage aus. Sofern man die Abtretung für zulässig erachtete, könnten Ansprüche aus einem Telekommunikationsvertrag, inklusive der insofern bedeutsamen Daten, beliebig oft an Dritte abgetreten werden. Die unter Umständen sensiblen Kundendaten würden also einer theoretisch unbegrenzten Vielzahl von Unternehmen in die Hände gespielt. Anders liegt der Fall beim Einzug des Entgelts durch einen Dritten. Hier bleibt der – von den staatlichen Behörden kontrollierbare – Anbieter der Telekommunikationsdienstleistung Forderungsinhaber; die Daten werden lediglich an ein weiteres und weisungsverpflichtetes Unternehmen und nur, „soweit es zum Einzug des Entgelts und der Erstellung einer detaillierten Rechnung erforderlich ist“ weitergegeben. Einer unkontrollierten Datenweitergabe sind somit klare Grenzen gesteckt.

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Der Datenschutz genießt den besonderen Schutz nach Art. 10 I GG. Insofern ist eine restriktive, sich streng am Wortlaut der Norm orientierende, Auslegung des § 97 I 3 TKG von Verfassungswegen geboten.

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Letztendlich geht es beim factoring lediglich um die wirtschaftliche (Reste)Verwertung einer schwer eintreibbaren bzw. vollstreckbaren Forderung. Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Wahrung des Fernmeldegeheimnisses ist insofern eine Datenweitergabe an Dritte im Wege der Abtretung niemals „erforderlich“. Dem Anbieter bleibt es unbenommen, seine Rechte selbst einzuklagen.

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Im vorliegenden Fall wurden der Klägerin die einzelnen Verbindungsdaten vollständig übermittelt. Bereits aus diesem Grunde ist die Abtretung unwirksam (so: OLG München, Urteil vom 19.11.1997, Az.: 7 U 2511/97, NJW-RR 1998, 758-JURIS (im Palandt, a.a.O., fehlerhaft als a.A. kommentiert; vgl. auch LG Frankfurt, Urteil vom 14.12.2001, Az.: 6 (b) S 76/01-JURIS für anders gelagerten Sachverhalt: vertraglicher Ausschluss der Übermittlung der Verbindungsdaten entgegen § 402 BGB).

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Aufgrund der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung war die Zulassung der Berufung nicht geboten.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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